Abwehrmechanismen des Systems

Die öffentliche, aber auch private Förderung eines Autors hängt beinahe vollkommen vom Produkt Buch ab, und zwar dem Gegenstand Buch aus einem offiziellen Verlag.  

Ein Autor kann nun also über Jahre vom System übergangen werden und sich entschließen, aus eigener Kraft und eigenen finanziellen Mitteln einen Text als Buch sozusagen im Eigenverlag zu veröffentlichen. In viehischem Reflex zieht die Herde ihren Kreis so eng, daß dieser fremde Ankömmling möglichst vertrieben wird: Die meisten Literaturstipendien und Preise lassen so eine Veröffentlichung nicht einmal zur Antragsstellung zu. (Der sogeannnte Bachmann Preis ist raffinierter ausgelegt: Es dürfen nur unveröffentlichte Texte wettstreiten, aber die Autoren selbst werden wiederum nur auf Empfehlung, meist von Verlegern, eingeladen und ihrer auch nur eine handvoll.) Man könnte nicht deutlicher seine Ohmacht und Unfähigkeit zur reinen, unbeeinflußten Beurteilung zugeben. Schlimmer noch: Wer im Eigenverlag mit eigenem finanziellen Aufwand herausgibt, wird als eitel und geltungssüchtig abgeurteilt. Und hier erweisen sich die Nebenstellen der Literatur als Teil dieses ausdrängenden Herdenkreises:

Literaturkritiker, Jurymitglieder (das sind übrigens Kritiker und - im Verlagssystem gebettete - Autoren), Beamte, sie alle sind nicht fähig, einen Text auf seine sogenannte Literaturfähigkeit/ -qualtität zu überprüfen und beurteilen, solange er nicht Teil eines Verlagsunternehmens war und solange er nicht in deren Form des Buches kommt, also Deckel-Rücken-Deckel mit Brandzeichen des Verlags und dazwischen Papierbögen, auf denen zuletzt erst der Text erscheint.

Österreichische Lösung

Mit der Veröffentlichung als elektronischer Text, dem sogenannten E-Book, geht es in gleicher Weise weiter: Solange kein tatsächlicher Buchverlag dahintersteht, wird das Manuskript belächelt oder ignoriert. Erst wenn sich ein unabhängiges E-Book aus marktwirtschaftlichem Blick gut verkauft hat, erwägen die Buchverlage, dem Autor ein Angebot zu machen. Sie haben sich die Vorarbeit erspart, scheren sich nunmehr überhaupt nicht mehr um den Inhalt und zeigen, was sie wirklich sind: Hyänen auf der geifernden Suche nach frischen Kadavern. Alles in allem ist das E-Book den Verlagen aber ein unheimliches Hindernis.

Die Buchpreisbindung, als weiteres Abwehrsystem, verhindert, daß irgendjemand ein Buch unterhalb des vom Verlag festgelegten Preises verkaufen darf. Während andere Hersteller Preisempfehlungen abgeben, geben Verlage ein gesetzlich beschütztes Preisdiktat vor.

Mit einer unfaßbaren Lösung geht Österreich einen Schritt weiter: Die Buchpreisbindung wird seit 2014 auf alle österreichischen Verlagserscheinungen, also auch auf das E-Book ausgeweitet, und das ist nur rechtzufertigen, weil der elektronische Text das entlehnte Wort "Buch" in sich trägt ... und weil es wiederum darum geht, Verlage vor Konkurrenz zu schützen.
Das bedeutet: Die Herstellung eines E-Books ist unverhältnismäßig billiger, österreichische Verlage dürfen aber (und müssen sogar) den gleichen Preis verlangen wie für ein aufwendig produziertes klassiches Buch.
Die Folgen: Im Zweifelsfall greift der Käufer bei gleichem Preis zur optisch anspruchsvolleren Ausgabe, das ist nur logisch. Infolge wird der E-Bookmarkt empfindlich gestört, infolge wird der Markt der für verlagsunabhängige Autoren wesentlichsten neuen Veröffentlichungsform um ein Stück unattraktiver gemacht. Das Gesetz wurde vom österreichischen Kulturminister vorgeschlagen und im österreichischen Nationalrat mit nur zwei Gegenstimmen (bei 183 Abgeordneten) angenommen. Man hoffe, so der Kulturminister, daß dieses Beispiel international Nachahmer fände. Danke.

 

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