Oft wird das Beispiel der braven Bauern bemüht, die selbst an ihren Produkten wenig verdienen. Im Verhältnis zu Autoren verdienen sie immer noch viel mehr. Zwar ist der materielle Aufwand zumeist höher, aber es ist möglich, es besteht eine gewisse Sicherung des Abnehmers, und immer noch wird ihr Beruf als Haupterwerb betrachtet.
Autoren, die von ihrer Tätigkeit leben können, sind an der Gesamtzahl in Prozenten nicht zu berechnen. Jene, die damit wohlhabend werden, sind womöglich nicht in Promillen zu berechnen.
Vorschlag einer Utopie und Lösung.
Bauern sind im Prozentanteil an der gesamten arbeitenden Gesellschaft zu messen und werden prinzipiell als statistischer Bevölkerungsanteil angegeben. Welcher Almanach listet Künstler im Bevölkerungsanteil, von Schriftstellern zu schweigen?
Bauern werden gern als braver, arbeitsamer Berufsstand und als wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft betrachtet, als Hersteller unser aller Lebensgrundlage. Dafür werden sie öffentlich unterstützt. Autoren aber stellen eine geistige, zivilisatorische Grundlage der Gesellschaft her. Eine freie, menschliche und vor allem sich hierin weiterentwickelnde Gesellschaft ist ohne freie Literatur nicht denkbar. Sie zu unterstützen sollte also Ziel jeder freien Gesellschaft sein. Ob kritisch, zynisch, beschimpfend, verträumt, utopisch, rückblickend oder in welchen Spielarten sonst, Literatur entwickelt die Menschen, und zwar gesamt. Sie wird von jenen gemacht, die sich aus der Gesellschaft herausnehmen, um ihren Geist individuell und neu zu betrachten und aus der entfernten Perspektive neu darzustellen. Man denke etwa an Literatur über Schrecknisse und Unrecht aus Zeiten, zu denen das allgemeine Bewußtsein es nicht so empfindet oder sich nicht eingestehen will. Das betrifft nicht die Vergangenheit, es ist in jeder Gesellschaft jederzeit möglich und geschieht.
Das Literaturpublikum nimmt diese Denk- und Sichtweise auf und wird sie – und sei es nur in einzelnen Wörtern, Argumenten oder kleinen Handlungen – weitertragen und selbst auf das Literaturunpublikum übertragen. Verlage zu unterstützen kann nicht das Ziel einer freien Gesellschaft sein.
Literatur ist also keine verlegerische Schöngeistigkeit, der mit schmucken Veröffentlichungen vergangener Texte aus der sicheren Zeitdistanz heraus gehuldigt wird, daß sie besprochenermaßen und somit erwiesen wichtig und gut ist. Literatur ist ein ständiges Geschehnis von vordringlichster gesellschaftlicher Notwendigkeit, und nicht nur Bedeutung. Jene aber, die das tun, die großen wie die kleinen Verleger, erdreisten sich durch Auswahl eines bestenfalls einzigen neuen Autors im Jahr, die Literaturgeschichte ständig zu bestimmen. Dabei kommt es, uneingestanderermaßen, zu nicht mehr als
Feigheit, Zaudern, Ahnungslosigkeit, anmaßendem Elitentum. Am schlimmsten aber ist, daß es in diesem als so hehr dargestellen Bereich zu einer ständigen Eingrenzung auf den eigenen Herdenkreis kommt und somit zu eine Ausgrenzung all jener, die nicht im Inneren dieses Herdenkreises stehen, der bestenfalls einmal im Jahr für Neuzugang geöffnet wird. Dieses System wird überdies staatlich gefördert (Verlagsförderung, inklusive Werbe- und Vertriebsmaßnahmen). Auch Autoren werden öffentlich gefördert, eine kleine Auswahl, aber auch sie zerschellen am System der Verlage und deren Umlaufbahnen.
Man bedenke: Dieses System hat es in der Hand, neue Einsichten und Erkenntnisse der allgemeinen Gesellschaft vorzuenthalten.
Die Dankbarkeit einer Mehrheit an Verlegern an den Autoren für die Schaffung ihres eigenen Arbeitsplatzes und für die Beeinflussung und oft Hebung der menschlichen Denkweise ist schließlich in unzähligen Fällen die Beleidigung der Autoren auf Grund ihres, der Verleger, eigenen Unverständnisses.
In einer besseren Literaturwelt stehen die Autoren an der Spitze des Literaturbetriebs, nämlich zu jeder Zeit und nicht nur zur Gelegenheit der Präsentation. Das Possenspiel um die scheinbare Spitzenstellung bei öffentlichen Auftritten sollte beendet werden, solange der Hintergrund während der übrigen Zeit anders ist: Die Literaturbürokratie bestimmt (und erzeugt Mittelmäßigkeit). Es gilt das Argument nicht, das sei in vielen anderen Bereichen so, denn Autoren, die eine eigene Stimme gefunden haben, sind unentbehrlich, nicht austauschbar, die gesellschaftliche Bedeutung zu hoch. Einzig die unüberblickbare Vielfältigkeit sehr guter Autoren ist als Zustand gültig, in dem die einzelnen an Bedeutung büßen.
Je höher das Niveau einer Denkgesellschaft – der Schaffenden und des Publikums – so schwieriger haben es durchschnittliche Künstler, zu Wort zu kommen. Die Einsicht zur eigenen Durchschnittlichkeit kommt rascher, hoffnungslose Träumereien vom Gipfel kommen kaum auf, wenn das Veröffentlichen leicht gemacht wird, und so können Minderbegabte früher in ihrem Leben zu anderen Bereichen greifen.
Utopie und Lösung
Der Idealzustand ist eine Gesellschaft, in der jeder schreibt und keiner liest. Die Verleger wären vom Tisch gefegt, der sie umgebende Troß ebenso. Daß überhaupt noch jemand liest.
Ohnehin ist Literatur nichts ohne eine Veröffentlichung, also ist Literatur nichts. Ein Veredelungsbegriff, ein Geschenkspapier. Es gibt die Wissenschaft der Literaturwissenschaft, und sie rätselt in unterschiedlichen, gleich gültigen Definitionen über ihren eigenen Begriff, um zum Schluß zu kommen, daß eine endgültige, exakte Definition nicht möglich ist, um also festzustellen, daß es "Die Literatur" nicht gibt. Es gibt viel Geschriebenes, aber die Literatur existiert nicht.
Es gibt keine Literaturmessen, das sind Buchmessen und Verkäufertreffen, es geht um den Verkauf eines sehr beschränkten Gegenstands. Welchen Sinn ergäbe eine Literaturmesse? Texte feilbieten? Das Internet etwa ist als Messe gut genug.